Inhalte
Der Einfluss des Menstruationszyklus auf die physische Leistungsfähigkeit
Der Menstruationszyklus beeinflusst viele physiologische Prozesse im Körper und hat damit auch potenzielle Auswirkungen auf die sportliche Leistungsfähigkeit. Dies macht ihn zu einem zunehmend interessanten Thema in der Sportwissenschaft und Trainingslehre.
Hintergrund und Physiologie des Menstruationszyklus
Ein gesunder Menstruationszyklus, die sogenannte Eumenorrhoe, dauert in der Regel 21 bis 35 Tage und lässt sich in zwei Hauptphasen einteilen: die Follikelphase und die Lutealphase (Carmichael et al., 2021). Diese Phasen beeinflussen nicht nur die Hormonspiegel, sondern auch die Temperaturregulation, die Muskelkontraktionsfähigkeit und den Energieverbrauch, was wiederum die sportliche Leistungsfähigkeit beeinflussen kann.
Die wichtigsten Phasen sind:
- Frühe Follikelphase: Diese Phase beginnt mit dem Einsetzen der Menstruation, während der die Hormonspiegel relativ niedrig sind.
- Späte Follikelphase: Es kommt zu einem starken Anstieg des Östrogens, das den Follikel zur Reifung anregt.
- Eisprungphase: Ein rapider Anstieg des luteinisierenden Hormons (LH) löst den Eisprung aus. Während dieser Phase sinkt Östrogen ab, während Progesteron steigt.
- Frühe bis mittlere Lutealphase: Nach dem Eisprung erreicht Progesteron seinen Höhepunkt, während auch das Östrogen leicht ansteigt. In dieser Phase kommt es oft zu einer erhöhten Körpertemperatur.
- Späte Lutealphase: Gegen Ende des Zyklus sinken Progesteron und die anderen Hormonspiegel rapide ab, was schließlich zum Einsetzen der Menstruation führt (Carmichael et al., 2021).
Phasen und hormonelle Veränderungen eines 28-tägigen Menstruationszyklus (Carmichael et al., 2021)
Inkonsistenz in der Studienlage
Die aktuelle Studienlage zur Auswirkung des Menstruationszyklus auf die sportliche Leistungsfähigkeit ist gekennzeichnet durch widersprüchliche und uneinheitliche Ergebnisse (Carmichael et al., 2021; Meignié et al., 2021). Dieser Widerspruch hat verschiedene Ursachen:
- Unterschiedliche Methoden zur Erfassung der Zyklusphase: Manche Studien verwenden Tagebücher zur Dokumentation, andere invasive Methoden wie die Hormonbestimmung, um die Zyklusphase zu ermitteln.
- Variierende Phaseneinteilungen: Einige Studien beschränken sich auf die Follikel- und Lutealphase, andere nehmen eine detailliertere Einteilung vor.
- Mangel an Langzeitstudien: Längsschnittstudien, die den Zyklus über längere Zeiträume beobachten, fehlen oft. Querschnittsstudien hingegen fokussieren sich meist auf subjektive Parameter wie Müdigkeit.
- Einfluss von hormonellen Verhütungsmitteln: Diese können die natürliche Hormonfluktuation unterdrücken und damit auch den natürlichen Zyklus beeinflussen.
- Individuelle Unterschiede:
Die Übertragbarkeit der Ergebnisse ist eingeschränkt, da trainierte, untrainierte und Eliteathletinnen unterschiedlich auf hormonelle Schwankungen reagieren (Lebrun et al., 2020).
Möglicher Einfluss auf die Leistungsfähigkeit in spezifischen Bereichen
Da der Menstruationszyklus individuell verläuft, variiert auch der Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit stark. Nachfolgend sind einige spezifische Bereiche dargestellt:
Kraft und Schnellkraft
In der frühen und späten Follikelphase, wenn der Progesteronspiegel niedrig ist, zeigen Studien eine höhere Maximalkraft, insbesondere in der späten Follikelphase, wenn Östrogen seinen Höhepunkt erreicht. In der Lutealphase hingegen, wenn der Progesteronspiegel ansteigt, kann die Maximalkraft abnehmen. (Carmichael et al., 2021; Kissow et al., 2022; Niering et al., 2024).
Verletzungsrisiko und Bindegewebesteifheit
Der Östrogenspiegel kann das Verletzungsrisiko beeinflussen. Ein höherer Östrogenspiegel senkt die Bindegewebesteifheit, da die Kollagensynthese reduziert wird, was das Verletzungsrisiko in der Ovulationsphase erhöhen kann. In dieser Phase besteht eine höhere Bandlaxizität und eine geringere Sehnensteifigkeit, was das Risiko für Band- und Sehnenverletzungen ansteigen lässt (Meignié et al., 2021).
Ausdauerleistung
Auch die Ausdauer kann durch den Zyklus beeinflusst werden. Eine Studie zeigte, dass die Körpertemperatur in der Lutealphase erhöht ist, was die thermoregulatorischen Herausforderungen bei Ausdauerbelastungen erhöht. Dennoch ist dies kein eindeutiges Hindernis, da einige Ausdauersportlerinnen ihre Bestzeiten in der Lutealphase erreichten (Lebrun et al., 2020). Die Veränderung der metabolischen Prozesse ist ebenfalls zu beachten: In der Lutealphase steigt die Abhängigkeit von Fett als Energiequelle, die Sauerstoffaufnahme erhöht sich und die Laktatbildung sowie der respiratorische Austausch sinken, was möglicherweise für längere Belastungen vorteilhaft ist (Lebrun et al., 2020).
Fazit und praktische Implikationen
Die Forschung zum Thema ist nach wie vor inkonsistent und zeigt widersprüchliche Ergebnisse. Ein einheitliches zyklusbasiertes Training erscheint aufgrund der individuellen Unterschiede nicht empfehlenswert. Dennoch ist es im Hochleistungssport von Vorteil, den eigenen Zyklus zu beobachten und mögliche Leistungsschwankungen oder Verletzungsrisiken zu berücksichtigen. Sportlerinnen könnten in einigen Phasen ihre Trainingseinheiten gezielt anpassen, um wiederkehrende Leistungstiefs zu erkennen und Überlastungen vorzubeugen. Die Entwicklung eines solchen Körperbewusstseins kann Athletinnen helfen, ihre Leistungspotenziale besser auszuschöpfen.
Hinterlasse einen Kommentar