Warum die Verbindung von Tageslicht und Sportverletzungen?

Sportverletzungen sind nicht nur eine physische Herausforderung für Athleten, sondern beeinflussen auch die mentale und emotionale Gesundheit erheblich. In der Rehabilitation von Sportverletzungen spielen viele Faktoren eine Rolle, die wir in unserer Therapieplanung beachten, darunter Übungsauswahl, Trainingsbelastung, Geweberegeneration, Schlafqualität und das Mindset zur Therapie. Ein oft unterschätzter, aber zunehmend wichtiger Aspekt in diesem Prozess ist die Exposition gegenüber Tageslicht. Warum?

  1. Tageslicht ist kostenlos und frei verfügbar. Ob während des Trainings oder im Alltag des Sportlers.
  2. Tageslicht beeinflusst nicht nur die Vitamin-D-Synthese, sondern hat weitreichende Auswirkungen auf zirkadiane Rhythmen, hormonelle Regulation, kognitive Prozesse und die emotionale Befindlichkeit.
  3. Tageslicht ist zwar frei verfügbar, Menschen halten sich im Rahmen der Urbanisierung, Globalisierung und Digitalisierung jedoch immer mehr in Innenräumen auf [1,2].

In diesem Beitrag beschreiben wir, wie Tageslicht – sowohl in Form von natürlichem als auch künstlichem Licht – als unterstützende Therapie in der Rehabilitation von Sportverletzungen eingesetzt werden kann und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse dieses Potenzial stützen.

Der erste Gedanke bei Tageslicht: Vitamin D hilft!

Tageslicht ist seit langem als wesentlicher Faktor für die menschliche Gesundheit anerkannt. Das Spektrum des Tageslichts, insbesondere das UV-B-Spektrum, fördert die Synthese von Vitamin D in der Haut, welches für die Knochengesundheit, die Immunfunktion und die Regulation von Muskelprozessen unerlässlich ist [3]. Vitamin D-Mangel ist weltweit verbreitet und betrifft besonders Sportler, da sie aufgrund des erhöhten Energiebedarfs und der intensiven körperlichen Belastung einen höheren Bedarf an Vitamin D haben [4]. Vitamin D fördert nicht nur die Muskelregeneration, sondern senkt auch das Verletzungsrisiko, indem es die Knochenfestigkeit und die Funktion des neuromuskulären Systems unterstützt [5].

In der Rehabilitation von Sportverletzungen hat die regelmäßige Sonnenlichtexposition potenziell positive Auswirkungen auf die Heilung und das Wohlbefinden der Athleten. 10 Tage Training mit natürlichem Tageslicht zeigen ähnliche Effekte auf den Vitamin-D-Spiegel und die körperliche Leistungsfähigkeit wie eine 6 Wochen hochdosierte Vitamin-D-Supplementierung [6].

Der zweite Gedanke: Tageslicht, Sonnenlicht, echt oder künstlich?

Auch wenn die Studienlage zu den Auswirkungen verschiedener Lichtarten auf die Verletzungsrehabilitation sehr dünn ist, kann doch folgendes festgehalten werden:

  • Die Lichtexposition muss nicht mit direktem Sonnenlicht stattfinden, zeigt somit auch bei wolkigem Himmel ähnliche Ergebnisse, die zudem auch mit künstlichem Tageslicht reproduziert werden können [7,8].
  • Wenn wir aber von den psychologischen Anpassungen sprechen ist echtes, direktes Sonnenlicht im Vorteil, da es durch den „natural-is-better“-Bias und die zusätzlich wahrgenomme Wärme andere Effekte zeigt [9].

Der Mechanismus: Wie wirkt Tageslicht nun bei Verletzungen?

Psychologische und kognitive Prozesse

Verletzungen haben oft tiefgreifende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Athleten. Studien zeigen, dass viele Sportler nach einer Verletzung mit Depressionen, Ängsten und vermindertem Selbstvertrauen zu kämpfen haben [10,11]. Diese negativen psychologischen Zustände können den Heilungsprozess verlangsamen und das Risiko von Folgeverletzungen erhöhen [12]. Hier kann Tageslicht eine entscheidende Rolle spielen.

Licht beeinflusst direkt das emotionale Wohlbefinden, indem es neurobiologische Prozesse im Gehirn aktiviert. Speziell die Exposition gegenüber Licht im blauen Spektrum hat sich als besonders wirksam bei der Regulierung der Stimmung erwiesen, indem sie Bereiche des Gehirns aktiviert, die mit der emotionalen Verarbeitung verbunden sind [13]. Diese Erkenntnisse wurden in der Praxis bereits durch den Einsatz von Lichttherapie bei der Behandlung von Depressionen und Angststörungen erfolgreich genutzt. Daher lässt sich schließen, dass eine gesteigerte Exposition gegenüber Tageslicht – insbesondere während der Rehabilitation – positive Auswirkungen auf die emotionale Stabilität von Sportlern haben könnte.

Zirkadianer Rhythmus und Schlaf

Der zirkadiane Rhythmus, auch bekannt als „innere Uhr“, spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus, der Hormonproduktion und der Körpertemperatur. Diese Prozesse werden stark durch das Tageslicht beeinflusst, insbesondere durch das blaue Spektrum des Lichts. Eine Dysregulation des zirkadianen Rhythmus kann zu Schlafstörungen, chronischer Müdigkeit und einer verminderten Leistungsfähigkeit führen [14].

In der Rehabilitation ist Schlaf von entscheidender Bedeutung, da er die Regeneration des Körpers unterstützt. Eine erhöhte Tageslicht-Exposition, insbesondere in den Morgenstunden, kann den zirkadianen Rhythmus stabilisieren und die Schlafqualität verbessern [15]. Verbesserter Schlaf führt wiederum zu einer schnelleren körperlichen Regeneration, einer besseren kognitiven Leistung und einem stabileren emotionalen Zustand, was für die Rehabilitation von Sportverletzungen entscheidend ist [16].

Schmerzmanagement und Tageslicht

Ein weiterer bedeutender Aspekt der Rehabilitation von Sportverletzungen ist das Schmerzmanagement. Chronische Schmerzen können nicht nur physische, sondern auch psychische Barrieren für die Genesung darstellen. Tageslicht hat einen direkten Einfluss auf das Schmerzempfinden. Mehrere Studien zeigen, dass Licht die Schmerzwahrnehmung durch hormonelle und neurologische Mechanismen modulieren kann. Dies geschieht zum Teil durch die Regulation von Endorphinen und anderen schmerzhemmenden Neurotransmittern, die durch Licht stimuliert werden [17]. Untersuchungen an Tieren haben zudem gezeigt, dass helles Licht direkte antinozizeptive (schmerzhemmende) Effekte durch die Aktivierung spezifischer retinaler Ganglienzellen haben kann, die mit schmerzregulierenden Neuronen im Gehirn in Verbindung stehen [18].

Diese schmerzlindernden Effekte wurden bereits in der postoperativen Rehabilitation beobachtet, bei der Patienten, die in hell erleuchteten Räumen untergebracht waren, signifikant weniger Schmerzmittel benötigten als jene in schwach beleuchteten Räumen [19]. Solche Erkenntnisse verdeutlichen das Potenzial von Tageslicht als eine ergänzende Therapie zur Schmerzlinderung in der Rehabilitation von Sportverletzungen.

Praktische Anwendung von Tageslicht in der Rehabilitation

Die Anwendung von Tageslicht als Therapieelement in der Rehabilitation lässt sich sowohl durch natürliche als auch künstliche Lichtquellen realisieren. Künstliches Tageslicht, das dem natürlichen Spektrum nahekommt, kann in geschlossenen Räumen wie Fitnessstudios oder Rehabilitationszentren eingesetzt werden, insbesondere während der Wintermonate oder in Regionen mit begrenztem natürlichen Licht [5]. Die regelmäßige Exposition gegenüber solchem Licht kann nicht nur den Vitamin-D-Spiegel und die Stimmung verbessern, sondern auch den Schlaf fördern und das Schmerzempfinden positiv beeinflussen.

Eine gezielte Planung der Lichtexposition, basierend auf dem zirkadianen Rhythmus, kann die Effekte weiter optimieren. So sollten Therapieeinheiten für „Morgenmenschen“ idealerweise in den frühen Tagesstunden stattfinden, während „Abendmenschen“ von späteren Therapieeinheiten profitieren könnten [20]. Messen können wir das z.B. mit einem Fragebogen zum Chronotyp, wie dem D-MEQ [21].

Gerade bei Sportlern mit Schlafproblemen können auch „Sonnenlichtwecker“ verwendet werden, um den natürlichen Aufwachprozess zu unterstützen und die Schlafqualität zu verbessern [22].

Was machen wir jetzt mit diesem Wissen?

Die Beachtung von Tageslicht bei der Rehabilitation von Sportverletzungen bietet uns eine vielversprechende, kostengünstige und einfache Möglichkeit, die Rehabilitation mit einem weiteren Faktor zu unterstützen. Wir würden in der Praxis empfehlen:

  • Den Patienten über die Wirkung von Tageslicht in seinem Zustand aufzuklären
  • Bewusst in hellen Räumen mit Tageslicht trainieren/therapieren
  • Ein Heimtrainingsprogramm entwickeln, was teilweise auch im Freien durchgeführt werden kann
  • Bei Patienten mit Schlafproblemen nochmal individueller auf Tages-/Biorhythmus und Lichtexposition achten
  • Bei Neugestaltung von Therapieräumen über die Anschaffung von Tageslicht-LEDs nachdenken
  1. Boyce, P. (2022). Light, lighting and human health. Lighting Research & Technology, 54(2), 101–144. https://doi.org/10.1177/14771535211010267
  2. Davies, T. W., & Smyth, T. (2018). Why artificial light at night should be a focus for global change research in the 21st century. Global Change Biology, 24(3), 872–882. https://doi.org/10.1111/gcb.13927
  3. Cashman, K. D. (2022). 100 years of vitamin d: Global differences in vitamin D status and dietary intake: a review of the data. Endocrine Connections, 11(1), e210282. https://doi.org/10.1530/EC-21-0282
  4. Pritchett, K., Rice, B., & Berg, S. (2022). Vitamin D and spinal cord injury. In Diagnosis and Treatment of Spinal Cord Injury (S. 453–460). Elsevier. https://doi.org/10.1016/B978-0-12-822498-4.00035-X
  5. Niering, M., & Seifert, J. (2024). The Impact of Daylight Exposure on Injured Athletes: Implications for Rehabilitation. International Journal of Strength and Conditioning, 4(1). https://doi.org/10.47206/ijsc.v4i1.299
  6. Michalczyk, M. M., Gołaś, A., Maszczyk, A., Kaczka, P., & Zając, A. (2020). Influence of Sunlight and Oral D3 Supplementation on Serum 25(OH)D Concentration and Exercise Performance in Elite Soccer Players. Nutrients, 12(5), 1311. https://doi.org/10.3390/nu12051311
  7. Haans, A. (2014). The natural preference in people’s appraisal of light. Journal of Environmental Psychology, 39, 51–61. https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2014.04.001
  8. Knoop, M., Stefani, O., Bueno, B., Matusiak, B., Hobday, R., Wirz-Justice, A., Martiny, K., Kantermann, T., Aarts, M., Zemmouri, N., Appelt, S., & Norton, B. (2020). Daylight: What makes the difference? Lighting Research & Technology, 52(3), 423–442. https://doi.org/10.1177/1477153519869758
  9. Meier, B. P., Dillard, A. J., & Lappas, C. M. (2019). Naturally better? A review of the natural‐is‐better bias. Social and Personality Psychology Compass, 13(8). https://doi.org/10.1111/spc3.12494
  10. Aron, C. M., Harvey, S., Hainline, B., Hitchcock, M. E., & Reardon, C. L. (2019). Post-traumatic stress disorder (PTSD) and other trauma-related mental disorders in elite athletes: A narrative review. British Journal of Sports Medicine, 53(12), 779–784. https://doi.org/10.1136/bjsports-2019-100695
  11. Niering, M., Klass, A., Wolf-Belala, N., & Seifert, J. (2024). Prevalence, severity, and predictors of self-reported depression in ultra-distance runners: An online survey based on 265 athletes. Injury, 55(11), 111790. https://doi.org/10.1016/j.injury.2024.111790
  12. Truong, L. K., Mosewich, A. D., Holt, C. J., Le, C. Y., Miciak, M., & Whittaker, J. L. (2020). Psychological, social and contextual factors across recovery stages following a sport-related knee injury: A scoping review. British Journal of Sports Medicine, 54(19), 1149–1156. https://doi.org/10.1136/bjsports-2019-101206
  13. Fernandez, D. C., Fogerson, P. M., Lazzerini Ospri, L., Thomsen, M. B., Layne, R. M., Severin, D., Zhan, J., Singer, J. H., Kirkwood, A., Zhao, H., Berson, D. M., & Hattar, S. (2018). Light Affects Mood and Learning through Distinct Retina-Brain Pathways. Cell, 175(1), 71-84.e18. https://doi.org/10.1016/j.cell.2018.08.004
  14. Ostrin, L. A. (2019). Ocular and systemic melatonin and the influence of light exposure. Clinical and Experimental Optometry, 102(2), 99–108. https://doi.org/10.1111/cxo.12824
  15. Bilu, C., Einat, H., Zimmet, P., Vishnevskia-Dai, V., & Kronfeld-Schor, N. (2020). Beneficial effects of daytime high-intensity light exposure on daily rhythms, metabolic state and affect. Scientific Reports, 10(1), 19782. https://doi.org/10.1038/s41598-020-76636-8
  16. Nedelec, M., Aloulou, A., Duforez, F., Meyer, T., & Dupont, G. (2018). The Variability of Sleep Among Elite Athletes. Sports Medicine – Open, 4(1), 34. https://doi.org/10.1186/s40798-018-0151-2
  17. Stanhope, J., Breed, M. F., & Weinstein, P. (2020). Exposure to greenspaces could reduce the high global burden of pain. Environmental Research, 187, 109641. https://doi.org/10.1016/j.envres.2020.109641
  18. Hu, Z., Mu, Y., Huang, L., Hu, Y., Chen, Z., Yang, Y., Huang, X., Fu, Y., Xi, Y., Lin, S., Tao, Q., Xu, F., So, K.-F., & Ren, C. (2022). A visual circuit related to the periaqueductal gray area for the antinociceptive effects of bright light treatment. Neuron, 110(10), 1712-1727.e7. https://doi.org/10.1016/j.neuron.2022.02.009
  19. Walch, J. M., Rabin, B. S., Day, R., Williams, J. N., Choi, K., & Kang, J. D. (2005). The Effect of Sunlight on Postoperative Analgesic Medication Use: A Prospective Study of Patients Undergoing Spinal Surgery: Psychosomatic Medicine, 67(1), 156–163. https://doi.org/10.1097/01.psy.0000149258.42508.70
  20. Facer-Childs, E., & Brandstaetter, R. (2015). The Impact of Circadian Phenotype and Time since Awakening on Diurnal Performance in Athletes. Current Biology, 25(4), 518–522. https://doi.org/10.1016/j.cub.2014.12.036
  21. Griefahn, B., Kunemund, C., Brode, P., & Mehnert, P. (2001). Zur Validitat der deutschen Ubersetzung des Morningness-Eveningness-Questionnaires von Horne und Ostberg. The Validity of a German Version of the Morningness-Eveningness-Questionnaire Developed by Horne and Ostberg. Somnologie, 5(2), 71–80. https://doi.org/10.1046/j.1439-054X.2001.01149.x
  22. Geerdink, M., Walbeek, T. J., Beersma, D. G. M., Hommes, V., & Gordijn, M. C. M. (2016). Short Blue Light Pulses (30 Min) in the Morning Support a Sleep-Advancing Protocol in a Home Setting. Journal of Biological Rhythms, 31(5), 483–497. https://doi.org/10.1177/0748730416657462

Die Autoren

Dr. Marc Niering
Dr. Marc NieringSport- und Neurowissenschaftler
Marc Niering ist seit 2021 bei Nordic Science als wissenschaftliche Leitung tätig. Er lehrt in den kognitiv-affektiven Neurowissenschaften, der Neurorehabilitation und Sportmedizin. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Auswirkungen von kognitiven Stimuli auf Schmerz, Bewegung und Leistung sowie darauf aufbauende Therapieverfahren in der Neurorehabilitation.
PD Dr. med. Johanna Seifert
PD Dr. med. Johanna SeifertFachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Johanna Seifert ist seit 2021 bei Nordic Science als medizinische Leitung tätig und arbeitet an der Medizinischen Hochschule als Oberärztin. Sie lehrt und forscht in den Bereichen Psychopharmakologie, Schizophrenie und Sportpsychiatrie.