Inhalte
- 1 Normverhältnisse und Gelenkwinkel bei der isometrischen Kraftmessung und Trainingsplanung
- 2 Isometrische vs. Isokinetische Kraftmessung: Woraus ziehen wir mehr Nutzen in der Therapie?
- 3 Die Bedeutung isometrischer Kraftverhältnisse für optimale Muskelfunktion
- 4 Optimale Kraftverhältnisse für Verletzungsprävention und Performance
- 5 Wann sind Änderungen der Verhältnisse überhaupt sinnvoll?
- 6 Einfluss der Gelenkposition auf Kraftmessungen
- 7 Was bedeutet das für die Praxis?
- 8 Die Autoren
Normverhältnisse und Gelenkwinkel bei der isometrischen Kraftmessung und Trainingsplanung
Im letzten Blogpost zu diesem Thema haben wir uns die Bedeutung von isometrischem Training angeschaut. Heute geht es um einige Besonderheiten in der Messung und Durchführung des Trainings. In der Rehabilitation von Verletzungen ist die Angleichung der Kraftniveaus zwischen den beiden Seiten ein wichtiger Faktor für die Wiederherstellung der vollen Funktionalität und für die Rückkehr zum Sport (Lepley et al., 2018). Doch welche Bedeutung hat eine isometrische Kraftmessung im Vergleich zur isokinetischen Messung? Wie schätzen wir diese Verhältnisse bei isometrischen Kraftmessungen ein? Welche Bedeutung haben sie für die Rückkehr in den Sport und die Prävention von Folgeverletzungen? Und zudem in welchen Gelenkwinkeln trainieren wir isometrisch am effektivsten? Diese Fragen wollen wir heute beantworten.
Isometrische vs. Isokinetische Kraftmessung: Woraus ziehen wir mehr Nutzen in der Therapie?
Die Messung von Muskelkraft kann auf verschiedene Weise erfolgen, wobei isometrische und isokinetische Kraftmessungen zwei der wichtigsten Methoden sind. Beide haben spezifische Vor- und Nachteile, je nach Anwendungsbereich.
Isometrische Kraftmessung:
✅ Vorteile:
✔ Sicher für Patienten direkt nach Verletzungen → Keine Gelenkbewegung, daher weniger Belastung für Sehnen & Bänder.
✔ Ermöglicht genaue Agonist-Antagonist-Vergleiche → Standardisierte Gelenkwinkel ermöglichen die Darstellung von Dysbalancen.
✔ Ideal für Screening & Rehabilitation → Regelmäßige Kontrolle durch einfache Durchführung.
✔ Weniger kostenintensive Geräte erforderlich → Kann mit einfachen Kraftmesssystemen durchgeführt werden.
❌ Nachteile:
✘ Keine Berücksichtigung dynamischer Muskelarbeit → Keine Information über die Kraftentwicklung während einer Bewegung.
✘ Abhängig vom Gelenkwinkel → Maximale Kraft unterscheidet sich je nach Winkel, daher weniger Übertragbarkeit auf reale Bewegungen.
✘ Begrenzte Aussagekraft für sportliche Leistung → Kein direkter Bezug zu funktionellen Bewegungen im Sport.
Isokinetische Kraftmessung:
✅ Vorteile:
✔ Messung der Muskelkraft über den gesamten Bewegungsumfang → Bessere Übertragbarkeit auf Sport & Alltag.
✔ Erkennt Defizite in spezifischen Bewegungswinkeln → Nützlich für Rehabilitation & Trainingsplanung.
✔ Genaue Bestimmung von konzentrischen & exzentrischen Kraftwerten → Relevanter für sportliche Leistung & funktionelle Bewegungen.
✔ Messung mehrerer Parameter für langfristigen Leistungsaufbau → Ideal für Hochleistungssportler.
❌ Nachteile:
✘ Teure & aufwendige Geräte erforderlich → Die Geräte sind teuer, messen jeweils nur einzelne oder wenige Muskelgruppen.
✘ Die Messungen sind zeitaufwendig und komplex → Eine Messung mehrerer Muskelgruppen in mehreren Bewegungsgeschwindigkeiten ist zeitaufwendig und als häufige Zwischenmessung schwer realisierbar.
✘ Höhere Belastung für Gelenke, Sehnen- und Bandstrukturen → Bei Messungen nach einer Verletzung problematisch.
👉 Die isometrische Kraftmessung gibt uns im Rahmen der Rehabilitation nach Verletzungen einige Vorteile. Wir können einfach und häufig direkt nach der Verletzungen Messungen durchführen, sie einfach wiederholen und damit unsere Therapieentscheidungen unterstützen.
Die Bedeutung isometrischer Kraftverhältnisse für optimale Muskelfunktion
Agonistische und antagonistische Muskelkraftverhältnisse sind entscheidend für eine normale muskuläre Funktion. Studien zeigen, dass Dysbalancen durch Verletzungen, Fehlhaltungen oder chronische Belastung zu Funktionsstörungen und Schmerzen führen können (Perry & Burnfield, 2010). Ein Beispiel ist die Dysbalance zwischen Rumpfbeugern und -streckern, die oft mit chronischen Rückenschmerzen in Verbindung steht (Winter, 2009).
Die isometrische Kraftmessung ist eine bewährte Methode zur Erkennung muskulärer Dysbalancen und wird sowohl in der Leistungsdiagnostik als auch in der Rehabilitation eingesetzt (Di Giminiani et al., 2023). Da isometrische Kontraktionen die Muskelaktivität ohne Gelenkbewegung ermöglichen, sind sie besonders wertvoll für Patienten mit Gelenk- oder Muskelverletzungen (Courel-Ibanez et al., 2020).
Optimale Kraftverhältnisse für Verletzungsprävention und Performance
Folgende Kraftverhältnisse finden sich in der wissenschaftlichen Literatur, an die wir uns halten können um isometrische Kraftmessungen zu bewerten.
✔ Hüftextension : Hüftflexion → 1:1 (Rogan, 2012)
✔ Hüftaußenrotation : Hüftinnenrotation → 3:1 (Kapandji, 2015)
✔ Hüftabduktion : Hüftadduktion → 1:1 (Rogan, 2012)
✔ Knieextension : Knieflexion → 3:1 (Sarabon et al., 2021)
✔ Schulterinnenrotation : Schulteraußenrotation → 3:2 (Rogan, 2012; Codine et al., 2005)
📌 Warum sind diese Verhältnisse wichtig?
✅ Verletzungsprävention: Dysbalancen erhöhen das Risiko für Überlastungsreaktionen im Bereich der Sehnen, Gelenke und Bänder.
✅ Leistungssteigerung: Eine ausgeglichene Kraftverteilung verbessert die Effizienz unserer Bewegungen, im Alltag und im Sport.
💡 Die Kraftverhältnisse dienen uns als Richtwerte für Training, Therapie und Diagnostik, sollten aber je nach Sportart und Verletzung nochmals individuell betrachtet werden.
Wann sind Änderungen der Verhältnisse überhaupt sinnvoll?
Ein Ungleichgewicht im Kraftverhältnis, verursacht durch Verletzungen oder einseitige Belastungen, kann Überlastungsreaktionen, Schmerzen und Funktionsstörungen begünstigen (Winter, 2009; Perry & Burnfield, 2010). Ob wir jedoch diese Dysbalancen immer korrigieren wollen hängt von einige Faktoren ab:
✅ Haben wir die Verhältnisse überhaupt aussagekräftig gemessen?
✅ Was ist unsere Zielsetzung mit dem Patienten/Sportler?
✅ Stehen die gemessenen Dysbalancen in Verbindung mit der Symptomatik (z.B. Knieschmerz) oder den Belastungen (z.B. Landungen im Volleyball)?
✅ Können wir unsere Ergebnisse überhaupt regelmäßig überprüfen?
Eine konsequente Anwendung dieser Prinzipien kann helfen, muskuläre Dysbalancen auszugleichen und das Risiko für Verletzungen zu minimieren (Rogan, 2012).
Einfluss der Gelenkposition auf Kraftmessungen
Der Gelenkwinkel beeinflusst maßgeblich die Muskelaktivierung, Kraftproduktion und das Drehmoment. Daher müssen Kraftmessungen immer bei standardisierten Gelenkwinkeln durchgeführt werden, um verlässliche und vergleichbare Ergebnisse zu erhalten.
📌 Warum ist die Gelenkposition aber so entscheidend?
- Muskelaktivierung variiert je nach Gelenkwinkel
- Maximale Kraftentwicklung unterscheidet sich je nach Position
- Drehmomentveränderungen beeinflussen das gemessene Agonist-Antagonist-Verhältnis
Eine Studie von Šarabon et al. (2021) zu optimalem Training/Messung von Knieextension und Knieflexion zeigt z.B., dass:
✔ Quadrizeps bei 90° Kniebeugung die meiste Kraft entfalten
✔ Hamstrings bei 60° Kniebeugung die meiste Kraft entfalten
💡 Um Muskelkraft objektiv zu bewerten und effektiv zu trainieren sollten wir bei der Messung standardisierte und identische Gelenkwinkel nutzen. Um das isometrische Training effektiver zu gestalten, sollten wir in der für die jeweilige Muskelgruppe effektivsten Winkelstellung isometrisch trainieren um maximale Muskelaktivität zu bewirken.
Was bedeutet das für die Praxis?
- Die Messung von isometrischer Muskelkraft hat gerade in der Rehabilitation von Verletzungen viele Vorteile gegenüber der isokinetischen Messung
- Bei der Bewertung der Ergebnisse können wir Normwerte für die jeweiligen Muskelgruppen beachten und damit unsere Therapieentscheidungen unterstützen
- In der Messung sollten wir identische Gelenkwinkel nutzen um Vergleichbarkeit im Rahmen der Normwerte zu schaffen
- Im isometrischen Training können wir auf spezifische Winkelstellungen zurückgreifen um effektiver zu trainieren
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